Auf der Suche nach dem Ursprung des Süsswassers im Ozean

Die dritte und letzte Etappe der Antarktis-Umrundung f¨¹hrt zu entlegenen Eilanden und durch ein F?rderband aus Eisbergen, bevor die Expedition ihren Zielhafen Kapstadt anpeilt. Alex Haumann berichtet ¨¹ber seine Eindr¨¹cke, den ver?nderten Wasserkreislauf und dessen Rolle f¨¹r das Klima der Erde.

Vergr?sserte Ansicht: Helikopter vor schmelzendem Eisberg im Südlichen Ozean
ACE-Helikopter vor schmelzendem Eisberg im S¨¹dlichen Ozean. (Bild: Mariusz Potocki / ACE Expedition)

Der S¨¹dliche Ozean ist eine der unber¨¹hrtesten Regionen der Erde und gilt als Lunge unseres Klimasystems. Hier steigen gewaltige Mengen von Wasser aus der Tiefe an die Oberfl?che auf, wo sie Kohlenstoffdioxid und W?rme aus der Atmosph?re aufnehmen, bevor sie wieder absinken. Ohne diesen Austausch w?re die menschgemachte globale Erw?rmung wesentlich st?rker.

Ein Ziel der Expedition ist, diese wichtigen Prozesse besser zu verstehen. Daf¨¹r sammeln wir w?hrend unserer Reise Wasserproben aus dem Meer, der Atmosph?re und dem Eis ¡ª eine Aufgabe, die bei den rauen und sich st?ndig ?ndernden Bedingungen nicht ganz einfach ist.

St¨¹rmische See am Ende der Welt

Die Akademik Treshnikov in stürmischer See.
Die Akademik Treshnikov in Wind und Wellen des S¨¹dlichen Ozeans. (Bild: Mariusz Potocki / ACE Expedition).

Auch auf der dritten Teilstrecke befinden sich fast 60 Wissenschaftler an Bord, die an 22 Forschungsprojekten arbeiten. Schnell wird dem Neuling klar, dass so viele verschiedene Interessen zu einem Durcheinander f¨¹hren k?nnen. Um Messungen f¨¹r unser Projekt durchzuf¨¹hren, muss ich oft Stunden lang durch das Schiff laufen und den n?chsten Stopp aushandeln, an dem wir die Instrumente ins Wasser lassen k?nnen.

Vergr?sserte Ansicht: Rosette für die ozeanographischen Messungen.
Rosette f¨¹r die Messungen im Meer. (Bild: Alex Haumann / ACE Expedition).

In den ersten Tagen sind es jedoch nicht Interessenskonflikte, die unseren akribisch ausgearbeiteten Messplan ¨¹ber die Reling werfen, sondern schlicht das schlechte Wetter. Die bis zu acht Meter hohen Wellen erlauben es nicht, die tonnenschwere Rosette mit den Instrumenten und Flaschen in die Tiefe hinab zu lassen. W?hrend die Ozeanographen anf?nglich also nur selten messen k?nnen, haben die Atmosph?renforscher alle H?nde voll zu tun, ihre Regen- und Schneeproben zu sammeln (siehe dazu auch diese Beitr?ge von Etappe 1 und Etappe 2).

Dem S¨¹sswasser auf der Spur

Unser erster Halt nach einigen st¨¹rmischen Tagen ist die Insel S¨¹dgeorgien. Als ich aufwache hat die Akademik Treshnikov aufgeh?rt zu schwanken, der Schiffsmotor ist verstummt. Ein Blick aus dem Bullauge meiner Kaj¨¹te offenbart einen glatten Wasserspiegel, Berggipfel und tiefblauen Himmel. Ganz unterwartet ist der Sturm nach S¨¹den gezogen. Wir liegen in der Bucht bei King Edward Point vor Anker.

Ich begleite meinen Kollegen Pascal Graf (siehe seinen Beitrag) auf die Insel, um Wasserproben aus Seen zu sammeln. Im Grunde suchen wir beide das gleiche ¡ª den Ursprung des Wassers. W?hrend die ETH-Forschungsgruppe um Professor Heini Wernli am atmosph?rischen Transport des Wassers interessiert ist, sucht das EPFL-Projekt, an dem ich beteiligt bin, nach dem Ursprung des S¨¹sswassers, das den Salzgehalt des S¨¹dlichen Ozeans bestimmt. Daf¨¹r messen wir die Sauerstoffisotope im Wasser, die uns als eine Art Fingerabdruck dienen: Wenn wir unsere Meerwasserproben mit jenen Proben vergleichen, die Pascal Graf und ich auf der Insel gesammelt haben, k?nnen wir ermitteln, wie viel S¨¹sswasser aus Regen und Schnee ins Meer gelangt.

Vergr?sserte Ansicht: Wasserproben sammeln auf Südgeorgien
Wasserproben sammeln auf S¨¹dgeorgien mit Pascal Graf. (Bild: Alex Haumann / ACE Expedition)

Bei den wandernden Eisbergen

Wir verlassen S¨¹dgeorgien in s¨¹dlicher Richtung und steuern die S¨¹dlichen Sandwichinseln an. Schon bald sind wir von Eisbergen umgeben soweit das Auge reicht: Wir befinden uns auf der Haupt-Eisbergroute. Manche sind so gross, dass man ein ganzes Dorf darauf bauen k?nnte. Sie driften ¨¹ber hunderte von Kilometern entlang der Antarktischen Halbinsel nach Norden, wo sie auf den Zirkumpolarstrom treffen. Dieser transportiert die Eisberge wie ein F?rderband ostw?rts, w?hrend dem sie langsam schmelzen.

An einem besonders grossen Exemplar h?lt der Eisbrecher an. Einige Forschende fliegen mit dem Helikopter auf den Berg und bringen uns Eisproben zur¨¹ck. Auch diese werden wir mit den Meerwasserproben vergleichen, um den Beitrag des Schmelzwassers zur Vers¨¹ssung des Meeres zu bestimmen.

Vergr?sserte Ansicht: Ein Wal (Bildmitte) taucht vor einem Eisberg ab.
Ein Wal (Bildmitte) taucht vor einem Eisberg ab. (Bild: Alexander Haumann / ACE Expedition)

Allm?hlich verlassen wir die polaren Gew?sser nordw?rts, passieren die einsame Insel Bouvet und halten Kurs auf Kapstadt. Noch melden unsere Messinstrumente keine Erw?rmung des Wassers, was wohl auch am langsam einziehenden Winter liegt. Dieser zeigt sich auch an der grossen Anzahl Buckelwale, die nun ebenfalls nach Norden ziehen und uns mit ihren Wasserfont?nen und riesigen Schwanzflossen auf den letzten Expeditionstagen begleiten.

Ver?nderter Wasserkreislauf vers¨¹sst S¨¹dpolarmeer

Hinter uns lassen wir den gigantischen Meereisteppich, der sich jeden Winter ¨¹ber grosse Teile des S¨¹dlichen Ozeans ausbreitet und nun schon wieder zu wachsen beginnt. Meereis bildet sich aus gefrierendem Meerwasser, wobei das im Wasser gel?ste Salz ausf?llt und im Meer zur¨¹ckbleibt. Das macht das Wasser salziger. Umgekehrt gelangt beim Schmelzen des Eises S¨¹sswasser in den Ozean, sodass sich dessen Salzgehalt verringert.

So ist das Meereis neben dem Niederschlag und dem Schmelzwasser der Eisberge die dritte S¨¹sswasserquelle in dieser Region. In einer fr¨¹heren Studie konnten wir mit Hilfe von Satellitendaten zeigen, dass ein verst?rkter nordw?rts Transport von Meereis den Salzgehalt im S¨¹dlichen Ozean ¨¹ber die letzten Jahrzehnte gesenkt hat (siehe ETH-News). Nun wollen wir diese Theorie mit den ¨¹ber 1000 gesammelten Wasserproben weiter untermauern.

Der sinkende Salzgehalt ver?ndert die Dichteschichtung des Wassers und k?nnte f¨¹r das Klima der Erde bedeutend sein: Weniger salziges Wasser ist leichter als salziges und schwimmt wie ein Deckel oben auf. Das verhindert, dass sehr kohlenstoffhaltiges und w?rmeres Wasser aus der Tiefe aufquellt, und f¨¹hrt so an der oberen Wasserschicht zu einer verst?rkten Aufnahme von Kohlenstoffdioxid und W?rme aus der Atmosph?re, welche dann mit dem Wasser in tiefere Schichten transportiert werden.

Was bleibt

Wie stark die Ver?nderungen von Meereis, Niederschlag und Eisbergschmelze zum sinkenden Salzgehalt im S¨¹dlichen Ozean beitragen, und ob sich die viele harte Arbeit auf dem Schiff gelohnt hat, werden wir erst in ein paar Monaten feststellen, wenn alle Proben im Labor analysiert und ausgewertet sind.

Vergr?sserte Ansicht: Abendstimmung vor der Küste der Südlichen Thule Insel
Abendstimmung vor der K¨¹ste der S¨¹dlichen Thule Insel, die s¨¹dlichste der S¨¹dlichen Sandwich Inseln. (Bild: Alexander Haumann / ACE Expedition)

Doch bereits jetzt steht fest: Die ACE-Expedition kehrt mit einem riesigen Fundus an Daten aus dem Ozean, der Atmosph?re, dem Eis und dem ?kosystem zur¨¹ck, was in den kommenden Jahren zu wichtigen Erkenntnissen ¨¹ber diese noch so unbekannte Region f¨¹hren wird. Uns Teilnehmenden bleibt eine F¨¹lle an unvergesslichen Eindr¨¹cken von dieser wunderbar bizarren Gegend, die so weit entfernt und doch so bedeutend f¨¹r das Klima der Erde ist.

H?ren und lesen Sie das externe SeiteInterview mit Alex Haumann auf SRF.

Serie zur Expedition rund um die Antarktis

Vergr?sserte Ansicht: Der Routenplan
Der Routenplan. (Grafik: ACE Expedition)

Die Forschenden der Antarctic Circumpolar Expedition (ACE) des Swiss Polar Institute (SPI) haben ihren Zielhafen Kapstadt, S¨¹dafrika, erreicht. Mit der dritten Etappe der Umrundung ist nun auch die Expedition abgeschlossen. Die ETH-Forschenden an Bord berichteten in insgesamt f¨¹nf losen Beitr?gen im Zukunftsblog von ihren Experimenten und Erfahrungen:

Weitere Informationen finden Sie unter externe SeiteSwiss Polar Institute, externe SeiteACE Facebook , externe SeiteACE Twitter, externe SeiteSchiff-Tracker.

Zum Autor

Alex Haumann
JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert